Die HNO-Heilkunde, wie wir sie heute kennen und wie wir sie in unserer HNO Praxis in Frankfurt am Main anwenden, blickt auf eine sehr lange Historie zurück. Wir möchten Ihnen mit der folgenden Ausarbeitung einen kleinen Einblick in diese Historie geben.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer beeindruckenden und vor allem bedeutenden Entwicklung: Allerhand neue medizinische Spezialfächer entstanden. Neben der Augenheilkunde und der Dermatologie gliederte sich auch die HNO-Heilkunde aus der allgemeinen Medizin aus und entwickelte sich fortan zu einem eigenständigen Bereich.
In den medizinischen Kliniken entstand die Laryngologie – also das medizinische Teilgebiet, das sich mit dem Kehlkopf und seinen Erkrankungen beschäftigt. Zur Behandlung z. B. von Kehlkopftuberkulose wurden damals spezielle laryngologische Sprechstunden eingeführt.
Parallel wurde auch den Ohren mehr Aufmerksamkeit geschenkt: Ohrenärzte (sog. Otologen) waren damals überwiegend Chirurgen. Seinerzeit stellte die operative Therapie von Ohrenleiden die einzige Behandlung von Ohrenerkrankungen dar, die Erfolg versprach. So arbeiteten die Operateure in Privatkliniken oder chirurgischen Abteilungen großer Krankenhäuser.
Der Auslöser für die Entwicklung der HNO-Heilkunde lag in der bemerkenswerten Entstehung neuer Operationsverfahren, die mit der Einführung der Narkose ermöglicht wurden. Aber auch das rasche Wachstum der Bevölkerungszahlen hatte seinen Anteil.
Entstehungsgeschichte der allgemeinen HNO-Heilkunde
Denn: In den Krankhäusern wurde mitunter eine große Anzahl Patienten behandelt, die den Ärzten neue Erfahrungen und mehr Praxis ermöglichte. Die Otologie und die Laryngologie wurden in Paris, London und Wien zuerst weiterentwickelt. Erst im letzten Drittel des Jahrhunderts kamen Berlin und andere deutsche Universitätsstädte hinzu.
Interessant ist, dass die Ohrenheilkunde sich schon in früheren Jahrhunderten zu entwickeln begann. Bereits im 17. Jahrhundert machte der 1589 geborene Capivaci darauf aufmerksam, dass unterschiedliche Arten der Schwerhörigkeit existierten. Er erkannte, dass die Auslöser einerseits z. B. in Erkrankungen des Trommelfells liegen konnten, andererseits aber auch in Erkrankungen der Nerven. Seine Schlussfolgerung: Beides kann dazu führen, dass der Knochenleitungsklang entweder besonders gut oder besonders schlecht vernommen wird.
Diese Entdeckungen gerieten jedoch in Vergessenheit. Erst, als sich Ärzte und Wissenschaftler Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt mit der Diagnose und Therapie von Ohrenkrankheiten auseinandersetzten, wurden diese Phänomene wiederentdeckt. Ernst Heinrich Weber (1834) und Heinrich Adolf Rinne (1855) führten Stimmgabelversuche durch, die genau das wiedergaben, was Capivaci bereits beschrieben hatte.
Ernst Heinrich Weber (links), Heinrich Adolf Rinne (rechts)
Naturwissenschaftliche Arbeiten von Hermann von Helmholtz zu den Möglichkeiten der Frequenzanalyse und ihrer Lokalisation im Innenohr (1863) stellten das Tonhöhen-Hörvermögen wieder in den Fokus. Im 20. Jahrhundert konzentrierte man sich wieder auf die Entwicklung der Audiometrie, also Untersuchungsverfahren, anhand derer sich die Funktion des Hörorgans beispielsweise auf Schwerhörigkeit überprüfen lässt. Weiterhin arbeitete man an systematischen Untersuchungen des Vestibularapparates, also des Gleichgewichtsorgans.
Robert Bárány machte Anfang des 20. Jahrhunderts Experimente und diskutierte an der Klinik von Politzer in Wien zusammen mit Neumann und Alexander über die Genese des kalorischen Nystagmus. 1907 erhielt er mit seiner Publikation „Phyiologie und Pathologie des Bogengangapparats“ den Nobelpreis.
Jung und Mittermaier bauten die Vesibularisprüfungen weiter aus. Intensiv beschäftigten sie sich auch mit der Entwicklung der Elektronystagmographie, mit der schnelle, nystagmiforme Augenbewegungen mithilfe von aufgeklebten Elektroden registriert und bestimmt werden konnten.
Hermann von Helmholtz (links), Robert Bárány (rechts)
Die praktische Ohrenheilkunde hat ihre Wurzeln in Frankreich mit Jean Itard. Sein Lehrbuch „Traité des maladies de l’oreille et de l’audition” (1821) stellte die wissenschaftliche Basis für die Otologie dar. Sein Nachfolger als Direktor der Pariser Taubstummenanstalt war Prosper Ménière (1799–1862). Sein Vortrag vor der kaiserlichen Akademie in Paris über das nach ihm benannte Krankheitsbild Morbus Menière ist noch heute aktuell. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Innenohres, das durch Schwindelanfälle, Hörverlust und Tinnitus gekennzeichnet ist.
Mit seinem Buch „Die Erkenntnis und Heilung der Ohrenkrankheiten“ wurde 1835 der Berliner Arzt Wilhelm Kramer bekannt. Als erster deutscher Arzt konzentrierte er sich auf Erkrankungen der Ohren und verfasste darüber ein umfangreiches Werk. Doch die Entwicklung schritt rasch über ihn hinweg. Dies lag daran, dass er die naturwissenschaftliche und experimentelle Medizin ablehnte.
Währenddessen wurde Großbritannien zum Zentrum der pathologisch-anatomisch bestimmten wissenschaftlichen Otologie. Der Vater des bekannten irischen Schriftstellers Oscar Wilde, Sir William Wilde, galt hier als führend. In seinem Buch „Aural Surgery” (1853) gab er zahlreiche praktische Anweisungen für die operative Therapie von Ohrenleiden.
Als Begründer der moderneren Otologie gilt Joseph Toynbee aus London (1815–1866). Seine umfangreichen morphologischen Untersuchungen fasste er mit seinen klinischen und pathologischen Erfahrungen in seinem 1860 veröffentlichten Werk „Diseases of the Ear” zusammen.
Hinzu kamen noch die systematischen Entwicklungen der Warzenfortsatzchirurgie, die bisher noch nicht großartig beachtet wurden. Beim Warzenfortsatz handelt es sich um eine Art Wulst, die hinter dem Ohr tastbar ist. Er ist verbunden mit der Paukenhöhle, also dem Teil des Mittelohrs, das die Gehörknöchelchen enthält. Die zugehörigen Operationen prägten Anton von Tröltsch (1829–1890), Friedrich Bezold (1842–1908), Hermann Schwartze (l837–1900), Ludwig Stacke und Emanuel Zaufal.
Übrigens: Anton von Tröltsch ging nach England zu Sir William Wilde und Joseph Toynbee. Als er nach Deutschland – genauer: Würzburg – zurückkehrte, widmete er sich ausschließlich der Ohrenheilkunde. Er entdeckt den 1841 entwickelten Konkavspiegel neu, mit dem das Trommelfell optimal untersucht werden konnte, und widmete sich fortan systematischen pathologisch-anatomischen Arbeiten sowie der Diagnostik und OP.
Sir William Wilde (links), Joseph Toynbee (rechts)
Anton von Tröltsch (links), Adam Politzer (rechts)
Adam Politzer (1835–1920) stammte aus Ungarn und arbeitete in Wien. Im Anschluss an sein Studium arbeitete er physiologisch, morphologisch und experimentell am Mittelohr, am Trommelfellspanner (Musculus tensor tympani) sowie an der Ohrtrompete (auch Eustachi-Röhre). Er besuchte die wichtigsten Institute seiner Zeit in Heidelberg, Paris, London und Würzburg. Des Weiteren hatte er sich damals mit seinen theoretischen Arbeiten einen Namen gemacht.
Die Wiener Fakultät beförderte ihn nach seinen Studienreisen zum Dozenten für Otologie. Einige Jahre später wurde er erster Professor dieses Fachgebiets sowie Leiter der Universitäts-Ohrenklinik.
In kurzer Zeit entwickelte sich Politzers Klinik zur bedeutendsten Schule für Ohrenheilkunde.
Adam Politzers Arbeiten zur Behandlung der Funktionsstörungen der Ohrtompete und über die adhäsive Otitis (Ohrenerkrankung, bei der ein dünnes eingezogenes Trommelfell in den Mittelohrraum gesaugt wird und an den Gehörknöcheln sowie anderen Knochen des Mittelohrs haftet) waren bahnbrechend. Weiterhin beschäftigte er sich mit der Entstehung und Entwicklung der chronisch-eitrigen Entzündung des Mittelohrs mit Knochendestruktion (Cholesteatom). Außerdem ist Politzer als Entdecker der Otosklerose – einer Erkrankung des Knochens, der das Innenohr umgibt – als eigenes Krankheitsbild bekannt.
Politzers Schüler waren bekannte Otologen wie Barany, Neumann und Alexander.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht die Rhinologie – also die Nasenheilkunde – etwas im Hintergrund.
Der Chirurg Konrad Johann Martin Langenbeck hatte zwar 1842 Knochenwucherungen und Verdickungen der Nasenscheidewand beschrieben, ein systematischer Ausbau der Septumchirurgie konnte aber erst 1884 stattfinden, da neue Narkosemittel erst schrittweise entdeckt wurden.
Die ersten Nasenscheidewand-OPs bezogen sich auf Frakturen (Asch, 1890). Gustav Kilian begann 1900 mit dem Ausbau der modernen submukösen Septumresektion, also einer operativen Therapie einer verbogenen Nasenscheidewand.
Gustav Kilian (links), Morell Mackenzie (rechts)
Die ersten Lehrbücher, die sich mit der Nasenheilkunde beschäftigten, gehen auf Spencer Watson (1875) und Morell Mackenzie zurück. Von ihm stammt das klassische Werk „Manual of Diseases of the Throat and Nose”. 1884 und 1885 haben Jansen und Killian ihre Methoden der Stirnhöhlenoperationen entwickelt.
Ein paar Jahre darauf beschrieben der Amerikaner H. P. Caldwell (1893) und der Franzose Henri Luc (1894) unabhängig voneinander eine spezielle OP-Methode: die Radikaloperation der Kieferhöhle nach Eröffnung von der Eckzahngrube des Gesichtsschädels (Fossa canina) aus.
1854 beschrieb Theodor Billroth Nasenpolypen, die er für ödematöse Gewächse hielt. Virchow glaubte 1863 dagegen, dass es sich dabei um myxomatöse, also schleimbildende Gebilde handelte. Edward Woaks aus London hingegen war der Meinung, dass es sich bei Nasenpolypen um aufgequollene Schleimhaut handelt, die vorwiegend aus dem Siebbein kommt. Neben den Polypen traten auch die Gaumen- und Rachenmandeln (Tonsillen) in den Fokus: Der Würzburger Anatom Theodor Kölliker untersuchte die Tonsillen 1852 mikroskopisch und makroskopisch. Die endgültige Beschreibung der feineren Struktur wurde 1884 von Waldeyer durchgeführt.
Die Tonsillektomie, also die vollständige chirurgische Entfernung der Gaumenmandeln, stellte bei den alten Chirurgen eine sehr kritisch beäugte OP dar, da sie meist mit hohem Blutverlust beim Patienten einherging. Erst als Morell Mackenzie eine alternative Methode für die Mandel-OP entwickelte, änderte sich dies. Dafür benutzte er ein von Phillip Physick gebautes Tonsillotom, also ein spezielles chirurgisches Instrument zum Abtragen der Mandeln. Heute ist es als „Fahnenstock“ bekannt.
Kölliker vermutete 1852, dass im Nasenrachenraum ähnliches Gewebe wie in den Gaumenmandeln vorliegen könnte. 1868 lieferte der Kopenhagener Arzt Hans Wilhelm Meyer eine präzise Beschreibung der Rachenmandeln und nahm die Symptome einer Vergrößerung der Rachenmandel sehr präzise auf. Im Zuge dessen konnte die Erkrankung nun von jedem Arzt diagnostiziert werden. Er entwickelte eine Methode, mit der die Rachenmandeln mit einem Ringmesser entfernt werden konnten (Adenotomie). Zudem erkannte er die positiven Auswirkungen der Rachenmandel-OP auf die Nasenatmung und die Belüftung des Mittelohrs.
Rudolf Albert Kölliker (links), Wilhelm von Waldeyer-Hartz (rechts)
Der Durchbruch für die Laryngologie kam mit der Entwicklung des Kehlkopfspiegels durch Manuel Garcia, einem in London lebenden spanischen Gesangslehrer und Professor an der Musikakademie.
Manuel García (links), Nepomuk Czermak (rechts)
Schon lange hatte er sich mit dem Kehlkopf und seinen Funktionen beschäftigt. Während eines Urlaubs in Paris kam ihm die Idee, die Stimmbänder selbst sichtbar zu machen – mit einer speziellen Anordnung von Spiegeln. Diese erhielt er vom Pariser Instrumentenmacher Charrière. 1854 demonstrierte Garcia seine neue Methode in London.
Zwei Jahre später begann der Wiener Neurologe Ludwig Türck, die Kehlkopfspiegelung bei seinen Patienten anzuwenden. Von ihm borgte sich der in Budapest lebende Arzt und Physiologie Nepomuk Czermak die Spiegel und untersuchte seine Patienten damit. Er nutzte zusätzlich künstliches Licht.
Die Laryngologie war viele Jahre rein auf Diagnostik, einer eventuellen Festlegung der Prognose sowie auf Eingriffe innerhalb des Kehlkopfes von der Biopsie bis zur Entfernung von Polypen beschränkt.
1732 schrieb Margagni in einem Sektionsbericht erstmals über Kehlkopfkrebs. 1798 wurde die Entfernung eines Fremdkörpers über die Laryngofissur durch Pelletan benannt. Mit der Einführung der Methodik der Kehlkopfspiegelung klärte sich das Krankheitsbild des Kehlkopfkrebses. Erst 1873 wurde die erste operative Entfernung des Kehlkopfes (Kehlkopftotalexstirpation) von Billroth durchgeführt.
Langenbeck gelang die erste Pharynxquerresektion. Themistocles Gluck und Soerensen schufen verbesserte Operationsmethoden, die sogar bis heute Gültigkeit haben. Sie brachten die Wendung: Die primäre Sterbequote sank drastisch von 80 Prozent auf weniger als 1 Prozent.
Bernhard von Langenbeck (links), Themistocles Gluck (rechts)
Der erste Weltkrieg mit seinen unzähligen entstellten und schwerverletzten Opfern ebnete den Weg für einen neuen Zweig der HNO-Heilkunde: die plastisch rekonstruktive Chirurgie von Kopf und Gesicht mit dem Berliner Arzt Jacques Joseph als Pionier.
Jacques Joseph (links), Historischer Naseneingriff um 1900 (rechts)
Die Erkenntnisse und Beobachtungen, die den grauenhaften Erlebnissen in den Feldlazaretten geschuldet sind, stellten die Basis für standardisierte Operationsverfahren dar, die sogar heute noch die Grundlage für bestimmte unfallchirurgische und tumorchirurgische Eingriffe sind.
Joseph ist aber nicht nur dafür bekannt, sondern auch als Vater der ästhetischen Kopf- und Halschirurgie. Er verfasste ein Standardwerk über die Gesichts- und Nasenchirurgie. Dies ging weit über das eigentliche Kernfach hinaus.
In den 1960er-Jahren wurde das Kaltlicht-Endoskop entwickelt. Damit war die „Schlüssellochchirurgie“ geboren – eine Revolution in der Medizin. Die HNO-Heilkunde profitierte besonders davon. Enge und verborgene Zielgebiete im Kopf- und Halsbereich hatten die Zugangswege bisher enorm erschwert.
Mithilfe der Kaltlicht-Endoskopie waren nun schonende, minimal-invasive OPs an den Nasennebenhöhlen sowie am Kehlkopf durchführbar.
Das Hören und die Hörverarbeitung konnten – trotz der modernen Wissenschaft und der vielen neuen Erkenntnisse – bis heute nur ansatzweise verstanden werden. Dennoch gab es in den 1970er- und 1980er-Jahren einen großen Sprung nach vorne: Objektive Messverfahren zur Erfassung der Funktion von Hörnerven und Hörzellen wurden eingeführt.
Damit einher gingen implantierbare Hörgeräte, die tauben und gehörlos gewordenen Menschen ein gesellschaftsfähiges Hören ermöglichen konnten. Dennoch scheint es so, als würde das Hörgerät noch als Tabuthema in unserer Gesellschaft gelten. Dabei sind moderne digitale Hörgeräte, so wie sie jetzt auf dem Markt sind, sehr leistungsfähig, bequem und sogar unauffällig. Sie können zum Teil schon per App gesteuert und angepasst werden.
Ein weiteres Thema aus der HNO-Heilkunde ist das Schnarchen. Viele Patienten zögern bis heute, damit zum Arzt zu gehen. Es ist ihnen peinlich, über nächtliche Schnarchgeräusche zu sprechen, die sich auch negativ auf die Beziehung auswirken können. Zudem kann Schnarchen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit oder auch Krankheitshäufigkeit haben. Besonders risikoreich ist das Schnarchen in Verbindung mit Atemaussetzern. Durch anhaltende Schlafapnoe drohen langfristig Herzkreislauf-Erkrankungen und andere gesundheitliche Beschwerden.
In den letzten Jahren hat sich in der HNO-Heilkunde viel getan was die Schnarchtherapie und Schlafapnoe betrifft. Vielfältige diagnostische und minimal-invasive therapeutische Maßnahmen können den Patienten helfen.
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